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Was führt Menschen an einem beliebten Ferientermin für eineinhalb Tage quer durch die Republik zu einem politischen Treffen? Es ist, wie sich im Verlauf der Tagung zeigte, der Bedarf an strategischer Klärung.

(Kommentar von Eberhard Brandt im GGG-Journal 2/2010)

Was führt Menschen an einem beliebten Ferientermin für eineinhalb Tage quer durch die Republik zu einem politischen Treffen? Mitglieder der GGG und des Bundesvorstands, Mitglieder der GEW aus dem geschäftsführenden Vorstand und aus der Bundesfachgruppe Gesamtschulen, Wissenschaftler/innen und Publizist/innen?

Es ist, wie sich im Verlauf der Tagung zeigte, der Bedarf an strategischer Klärung in einer Gruppierung, die sich traditionell als Gesamtschulbewegung verstand, die es jetzt aber als vergleichsweise geschlossene Bewegung nicht mehr gibt. Und es ist das Interesse, zu verstehen, warum Menschen, die lange zusammengearbeitet haben, so unterschiedlich ticken, gegensätzliche, z.T. sich ausschließende strategische Konzepte vertreten und anderseits zu prüfen, ob es Gemeinsamkeiten gibt und wo diese liegen.

Die Übereinstimmung in dem Ziel, ein Gesamtschulsystem zu errichten, das in der Sekundarstufe I nur eine Schulform kennt, die alle bisherigen Bildungsgänge enthält und grundsätzlich inklusiv arbeitet, konnte in der ersten Gesprächsrunde festgestellt werden. Dieses Ziel vertreten auch diejenigen, die statt von Gesamtschulen von Einer Schule für Alle sprechen. Allerdings die Einschätzung der politischen Bedingungen und daraus folgend der strategischen Einschätzungen sind unterschiedlich, ja gegensätzlich.

Umstritten bleibt die Bewertung der durchaus unterschiedlichen Zwei-Säulen-Modelle, die z.B. in den drei Stadtstaaten errichtet wurden, sowie die Einschätzung der Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein.

In zwei Fragen bündeln sich die Kriterien, aus denen die Kalküle abgeleitet werden.

  • Ist die Abschaffung des Namens "Gesamtschule" mit dem Verlust ihrer spezifischen Qualität verbunden, als integrative Schulen alle Bildungsgänge zu enthalten, für gesellschaftliche Aufsteiger sowie für bildungsbürgerliche Familien als Alternative zum Gymnasium interessant zu sein und den Anspruch zu verkörpern, alle Schulformen aufzuheben?
  • Oder ermöglicht die 2. Säule, die den Namen Gesamtschulen aufgibt, wie auch die Einführung von "Gemeinschaftsschulen" einen quantitativen Sprung in der Ausweitung von Schulen, die ebenso gut oder sogar besser als die bestehenden Gesamtschulen sind?

Die letzte Auffassung wurde damit begründet, dass politische Mehrheiten nur zu erreichen seien, wenn der "verbrannte" und nicht nur für die CDU nicht konsensfähige Name aufgegeben werde und de facto neben den Gymnasien quasi Gesamtschulen entstünden. Durch die quantitative Ausweitung sei es zudem möglich, die Misere der Hauptschule zu beenden. Für Berlin wurde betont, die neuen Gemeinschaftsschulen seien durch die Überwindung der äußeren Fachleistungsdifferenzierung in höherem Maße integrative Schulen als die bestehenden Gesamtschulen.

Dem wurde entgegen gehalten, die hohe Zahl von Anmeldungen zu den bestehenden Gesamtschulen – von Anmelderekorden zu sprechen, sei nicht übertrieben – zeige, dass der Name "Gesamtschule" keineswegs verbrannt sei. Zunehmend interessierten sich aufstiegsorientierte und bildungsbürgerliche Familien aus dem Mittelstand für Gesamtschulen als alternativem pädagogischen Weg zum Abitur gegenüber dem G8-Gymnasium. Inzwischen hätten CDU-Kommunalpolitiker in Städten und Landkreisen ihren Frieden mit den Gesamtschulen gemacht und wirkten aktiv an Neugründungen mit – der Name störe längst nicht mehr, er sei im Gegenteil Ausweis für eine bekannte Qualität. An der dürften keine Abstriche gemacht werden, wie das bei der Gemeinschaftsschule in Schleswig-Holstein der Fall sei.

Unstrittig war die optimistische Erwartung, dass in den Gesamtschulländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern eine neue Gesamtschul-Gründungswelle möglich wäre. Unstrittig war auch die Erwartung, dass im größten Bundesland Baden-Württemberg demnächst ein Dammbruch durch die eine oder die andere Gesamtschulgründung möglich werde. Auch der schwärzeste Ministerpräsident könne die Bürger auf Dauer nicht bevormunden, die in Heidelberg, Freiburg oder Mannheim keine Chance hätten, einen begehrten Platz an einer Gesamtschule zu finden.

Schon in einem Jahr will man sich wieder treffen, weiter klären und eine erfolgreiche Strategie finden.