Länderbericht 2010/1

Im Januar hat das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen der rot-roten Koalition die Schulstruktur-Umgestaltung beschlossen: Ab nächstem Schuljahr wird es im Prinzip keine Haupt- und Realschule mehr geben. Sie werden teils zusammengelegt und mit den Gesamtschulen zu "Integrierten Sekundarschulen". Diese stehen grundsätzlich allen Schülern offen und führen zu allen Abschlüssen (einschl. Abitur). Allerdings ist nur für wenige dieser Schulen die

Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe geplant; die anderen sollen mit Oberstufenzentren und Oberstufen an bisherigen Gesamtschulen kooperieren. Die Integrierten Sekundarschulen werden im Wesentlichen so arbeiten wie die bisherigen Gesamtschulen, allerdings künftig ohne Sitzenbleiben. Über die Differenzierung können die Schulen autonom entscheiden, sie müssen also nicht mehr die äußere Leistungdifferenzierung in der bisher üblichen Form durchführen. Der §17a, die rechtliche Grundlage für die Gemeinschaftsschulen, bleibt erhalten, so dass alle Berliner Schulen weitere pädagogische Elemente der Gemeinschaftsschulen realisieren können. Es können auch weiterhin Schulen in die Pilotphase Gemeinschaftsschule einsteigen, sie wird weitergeführt und ausgeweitet.

Dass diese Reform bestenfalls ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Schule für alle ist, zeigt das Nicht-Antasten der Gymnasien und Förderschulen, das sind gerade die Schulen, die die extremen Formen der Selektion praktizieren. Mit den verlautbarten Zielen der Reform gar nicht zu vereinbaren ist die Umwandlung zweier Gesamtschulen in Gymnasien. Eine Begründung für die Weiterexistenz und sogar Ausweitung von auslesenden Schulen neben der Integrierten Sekundarschule findet man nirgendwo. Eine Regelung beschränkt die auslesende Funkion der Gymnasien in geringer Weise: Sie dürfen künftig keine Schüler nach dem Beginn der 8. Klasse abschulen. Zu kritisieren sind Regelungen, die die Privilegierung der Gymnasien fortsetzen: Wiedereinführen der Grundschulgutachten für den Besuch des Gymnasiums in Form der sog. Förderprognose, Beibehalten der grundständigen Gymansien (ab Klasse 5), Beibehalten des Sitzenbleibens, einjährige Probezeit ohne Klärung der Modalitäten der Eingliederung der Gymnasial-"Vertriebenen" in die integrierte Sekundarschule. Es ist fraglich, ob die behauptete "Gleichwertigkeit" von Integrierter Sekundarschule und Gymnasium jemals tatsächliches Ziel für die Umgestaltung der Schullandschaft für alle Teile der Koalition war.

Im November hat der Landesverband Berlin einen GGG-Tag veranstaltet unter dem Thema "Vom Unterrichten zu Lernen". Rolf Schönenberger, Schulleiter der Sekundaschule Bürglen (Thurgau, Schweiz), hat über die Schulentwicklung seiner Schule mit Lernlandschaten und individualisiertem Lernen vorgetragen. In diversen Workshops haben Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Schulen ihre Praxis vorgestellt. Der Landesvorstand der GGG sieht sich durch den erfolgreichen GGG-Tag ermutigt und plant einen weiteren GGG-Tag am 4. Juni 2010 unter dem Motto "Partizipation und Verantwortung". Er wird in der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule stattfinden.

Lothar Sack