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Im Sommer 1970 wurde die erste stadtbremische Gesamtschule gegründet, die Gesamtschule West, eine integrierte Ganztagsgesamtschule, die im Arbeiterstadtteil Gröpelingen gelegen ist. Wurden noch im ersten Jahr die Schüler/innen der fünften Klassen in einer Grundschule und Mobilbauten untergebracht, so konnten bereits zum Schuljahr 71/72 einige Klassen den zügig vorangetriebenen Schulneubau beziehen. Die Schule wurde für 1.800 Schüler/innen konzipiert und bis 1977 fertiggestellt. Mitte der 90er Jahre stellte man hohe PCB- und Asbestbelastung fest, so dass man sich für einen Abriss und Neubau unter ökologischen und pädagogischen Gesichtspunkten entschied. Entstanden ist ein ansehnliches und schmuckes Schulgebäude, das zum Lernen und Verweilen in seinen Mauern geradezu einlädt, so dass eine Schlagzeile der Schule lauten kann: „GSW-Schüler haben Lust auf ihre Schule“.

Damit ist natürlich nicht nur das baulich gelungene Gebäude gemeint, sondern vor allem auch das pädagogische Konzept, das die GSW ausmacht. Kinder aller Begabungen und vieler Kulturen besuchen die Jahrgänge 5-10 die jeweils zu 4 Klassen auf einer Jahrgangsebene zusammengefasst sind. Jedes einzelne Kind wird in seinen Stärken und Schwächen an die eigene Leistungsgrenze geführt; vielfältige Lernmethoden, individuelle Lernzeiten, Arbeit im Team, Referate und Präsentationen sind wichtige Bausteine für den schulischen Erfolg. In der Regel verlässt niemand die Schule ohne einen Abschluss. Auch die Quote der Schüler, die in die gymnasiale Oberstufe, in das berufliche Gymnasium oder die Fachoberschule wechseln, ist beachtlich hoch und belegt die erfolgreiche Arbeit. Als Stufenschule (Sekundarstufe I) arbeitet die GSW eng und produktiv mit dem SEK II- Zentrum ‚Rübekamp’ zusammen. Die jährlichen Anwahlzahlen für den 5. Jahrgang (ca. 200 für 110 Plätze) zeugen von der großen Beliebtheit dieser Schule.

Die Gründung der GSW (1970) fiel in die Zeit der Diskussion um die Reform und Demokratisierung der Schule, die schon vor 1968 begonnen hatte. Im Mittelpunkt stand dabei die Forderung nach der „Gesamtschule als demokratischer Leistungsschule“ (Prof. Klafki in der ‚Bremer Lehrerzeitung’ 4/1968). In eben diesem Jahr (1970) wurde der „Strukturplan des deutschen Bildungsrats“ veröffentlicht, der eine Neuorientierung des Schulwesens vorsah, nämlich eine integrierte Stufenschule mit der Primarstufe (1-4), der Sekundarstufe I (5-10) und der Sekundarstufe II (11-13). Ebenfalls sollte die Lernplanung (Curriculumentwicklung: z. B. Hessische Rahmenrichtlinien) auf völlig neue Füße gestellt werden. 1971 wurde der Bremer Schulentwicklungsplan mit der Gründung der GSW, bald darauf mit dem Aufbau der Gesamtschule Ost und dem Schulverbund Lesum als Regionalschulen realisiert.

Bremerhaven besaß bereits (seit 1969) mit der Heinrich-Heine-Gesamtschule gute Voraussetzungen für die Einführung der Stufenschule. Das bremische Schulgesetz von 1975 sah ein sich schrittweise entwickelndes, integriertes Gesamtsystem vor. Die ganze Entwicklung dauerte einschließlich der Neugliederung der SEK II bis 1985. Dieses Stufensystem war als Vorstufe zur Integrierten Gesamtschule gedacht gewesen, was aber, wie man weiß, nicht weiter verfolgt wurde, da sich Bremen in eine Sonderrolle manövriert hatte, denn der Anspruch, das dreigliedrige zu einem integrierten System zu formen, wurde bundesweit aufgegeben. Stattdessen entstand in Bremen ein labiles Gleichgewicht von Schulformen: neben den Schulzentren mit Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialabteilung und den bestehenden drei Gesamtschulen kam ein privates ökumenisches Gymnasium hinzu. Daneben existieren Privatschulen der evangelischen und der katholischen Kirche.

Die ‚Eine Schule für alle’ ist in weite Ferne gerückt, Oberschule und Gymnasium bestimmen heute das Bild der Schullandschaft. Die Gesamtschule West, in der heutigen Sprachregelung der Behörde „Oberschule West“ genannt, hat in den vergangenen 40 Jahren das Gleichgewicht nie verloren und steht heute fester denn je auf stabilem Grund.

Karlheinz Koke

(Quellen: GSW-Festschrift; Geh zur Schul und lerne was – 150 Jahre Schulpflicht in Bremen, Bremen 1994)