Im letzten Jahrzehnt sind – möglicherweise nicht nur in Hessen – so viele zentrale Steuerungsimpulse auf die Schulen niedergeprasselt, wie nie zuvor in einem vergleichsweise kleinen Zeitraum: Vergleichsarbeiten, Schulprogramm, Evaluation, Schulinspektion, Zielvereinbarung … . Alle diese Maßnahmen machen ihren Sinn in einer veränderten Gesellschaft, unter neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder auch bei anderen Erwartungen der Abnehmer von Schule, seien es Ausbildungsbetriebe oder weiterführende Bildungseinrichtungen.

Eigentlich unterscheidet sich das Bildungswesen nicht wesentlich von anderen Einrichtungen. Die Anforderungen steigen, es werden andere Qualifikationen und gesteigertes Engagement verlangt. Der Unterschied ist allerdings, dass viele Unternehmen an der Veränderung der internen Strukturen arbeiten, sich von überkommenen Hierarchien verabschieden und neue Formen der Kooperation entwickeln, wobei auf gegenseitige Verlässlichkeit und Verbindlichkeit ebenso großer Werte gelegt wird wie auf Vertrauen und Anerkennung. Da könnte man doch auch erwarten, dass die zentrale Steuerung mit all den neuen Anforderungen/Prozessen sich auch verändert und dass dem Dialog mit gegenseitigem Respekt der jeweiligen Zuständigkeit eine höhere Bedeutung als der traditionellen Anordnung beigemessen wird. Dass dem beileibe nicht so ist, sollen die exemplarischen Beispiele zeigen: Ende der neunziger Jahre wurden die Schulen verpflichtet, Schulprogramme zu erstellen. Obwohl dazu weder hilfreiche Handreichungen noch Ressourcen zur Verfügung gestellt wurden, machte sich die Mehrzahl der Schulen engagiert und auch kreativ auf den Weg. Und dann wurden 2002 Berichte von den Schulen gefordert, die Schulprogramme waren abzugeben. Diese wurden in den Staatlichen Schulämtern archiviert – das war’s. Weder wurden die darin enthaltenen Schätze ausgewertet, erst recht nicht den Schulen wieder zur Verfügung gestellt, noch sichtbare Konsequenzen von der zentralen Steuerung gezogen. Man hatte den Eindruck, dass man schon irgendwie "für den Papierkorb" gearbeitet hatte. Ich will nicht unerwähnt lassen, dass es eine Rückmeldung des Schulamtes an die Schule gab. Es gehört allerdings nicht hierher, zu beschreiben, wer die Rückmeldung verfasste. Und wo sind wir heute? Die Schulinspektion stellt fest, dass es an der jeweiligen Schule eine mehr oder weniger aktive Schulprogrammarbeit gibt. Die bloße Feststellung hat aber kaum Konsequenzen in dieser oder jener Richtung. In vielen Sonntagsreden wurde in den letzten Jahren die Selbstständige Schule als zentrales Ziel der Schulentwicklung beschworen, die Schulen und da vor allem die Schulleiter/innen und Lehrer/innen zur aktiven Mitarbeit aufgefordert. Und wenn man genauer hinschaute, ging es immer nur ums Geld, genannt Kleines Budget, da durften noch viele mitmachen, und Großes Budget, da dürfen sich nur ausgewählte 24 Schulen auf den Weg machen. Ich beobachte das aufmerksam und finde einfach nicht heraus, was sich dadurch im Unterricht ändern soll. Natürlich eröffnet finanzielle Beweglichkeit Freiräume, macht aber gleichzeitig auch deutlich mehr Arbeit. Und wie oben schon dargestellt fehlen wieder zentrale Vorgaben und zentrale Unterstützung. Noch ist nicht bekannt, welche zusätzlichen Auflagen die Schulen als Gegenleistung zu erfüllen haben. Die verpflichtenden Lernstandserhebungen berücksichtigen die Schulform IGS nicht, so dass Hessische Schulleiter/innen sich zu folgender Stellungnahme genötigt sahen: Die IGS ist eine Schulform, welche seit über 40 Jahren in Hessen zugelassen ist. Dennoch wird sie im Bewusstsein des Kultusministeriums und des IQs immer wieder marginalisiert und unsere Arbeit damit unnötigerweise erschwert. Dies findet sich auch bei den Bildungsstandards, auf welche sich die Lernstandserhebungen ja letztlich beziehen, wieder. Hier wird mangels Handreichungen von den IGS'sen gefordert, dass sie ihre Curricula auf der Basis von drei unterschiedlichen Niveaustufen erstellen, zudem sind Fächer wie NaWi oder GL nicht berücksichtigt. Wir fordern darum entweder eine Nachbesserung der Lernstandserhebungen für unsere Schulform oder aber die Aussetzung der verpflichtenden Durchführung dieser Lernstandserhebungen an den Integrierten Gesamtschulen. Eine weitere große Chance zur Veränderung des Lernens in der Schule könnte die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention darstellen. Die Inklusion ist deutsches Recht und die Länder sind wegen der Bundestreue zur Umsetzung verpflichtet. Auch hier mangelt es an der zentralen Umsetzung. Statt des notwendigen Dialogs auf allen Ebenen, mit allen Beteiligten und der gemeinsamen Suche nach geeigneten Lösungen (wobei es vor allem in der Übergangsphase zugegebenermaßen so manches Hindernis zu überwinden gilt), ist nur Verwaltungshandeln sichtbar. Ob da das Zurückbeordern der Förderlehrer/innen von den Integrationsschulen an die Förderzentren hilfreich ist, muss einfach bezweifelt werden. Zumindest erhöht es den Abstimmungsbedarf und den Verwaltungsaufwand an den beteiligten Schulen. Hier reicht der Platz nicht für eine ausführliche Darstellung des Problems. Dieses bereiten wir gerade auf und stellen es demnächst auf die Hessenseite.

Hans-Peter Kirsten-Schmidt