in der IGS Nordend – aus der Sicht von Beteiligten

Schulleiterin Konstanze Schneider

Der Gesamtschultag der GGG in Hessen findet traditionell an jedem ersten Samstag im Monat März statt. Gastgeber der diesjährigen Tagung war die IGS Nordend. Das Tagungsthema lautete „Eine Schule für alle – Inklusion ist Aufgabe der öffentlichen Schule“. Ca. 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich vom Tagungsprogramm ansprechen lassen und kamen aus Hessen und angrenzenden Bundesländern nach Frankfurt am Main.

Prof. Dr. Andreas Hinz

Das bewährte Tagungskonzept sieht ein Impulsreferat und anschließende Workshops bzw. Arbeitsgruppen sowie hinreichende Gelegenheiten für den themenbezogenen Erfahrungsaustausch und für informelle Kontakte vor.
Zum vorliegenden Thema wurden Prof. Dr. Andreas Hinz und Ines Boban (von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) für den Hauptvortrag gewonnen. Beide sind ausgewiesene Experten für das Thema und langjährige Beförderer des „Indexes für Inklusion“, den sie im Vortrag und in zwei anschließenden Workshops vorgestellt hatten. Insgesamt wurden elf Workshops angeboten, die sich mit verschiedenen Praxisbeispielen auf dem Weg zur Inklusion beschäftigt hatten.

Im Folgenden einige Eindrücke von der Veranstaltung, wie sie im Verlauf der Tagung von insgesamt 20 nach Zufall ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern erfragt wurden.

Eindrücke zum Tagungsarrangement

Hinsichtlich des Tagungsambientes gab es fast nur Lobendes zu hören. Insbesondere wurde die Verköstigung mit Getränken und schmackhaften Speisen in der Mensa positiv gewürdigt.

Erfahrene Teilnehmer der Gesamtschultage wissen, dass die Räumlichkeiten einer Schule in der Regel keine optimalen Bedingungen für eine Fachtagung bieten und dass deshalb immer wieder Kompromisse gefunden werden müssen. Besonders beeindruckend empfanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die große Aula im Dachgeschoss des Altbaus und die neue Mensa, zu der man über eine große Freitreppe unter den Schulhof geführt wird.

Obwohl räumlich etwas beengt, ging die Anmeldung im Tagungsbüro doch sehr zügig voran. Natürlich trafen die meisten der Ankommenden sogleich bekannte Gesichter und waren rasch in Gespräche vertieft und verstopften dadurch den Flur, in dem das Tagungsbüro seinen Platz hatte. Eine der ersten Fragen der Ankommenden war: "Wo kriege ich jetzt erst mal einen Kaffee her?" Leichte Orientierungsprobleme hatten die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung auch mit anderen Räumlichkeiten. So war nicht auf Anhieb klar erkennbar, wo was stattfinden würde. "Wo beginnt die Veranstaltung eigentlich? In der Aula? Und wo ist die?" – Die hilfsbereiten Damen vom Tagungsbüro, Chris Gramm, Petra Struebel-Yilmaz und Elke Blum wussten natürlich auf Anhieb weiter.

Nach der Anmeldung stand erst mal die Einwahl in eine der Arbeitsgruppen an: "Wo gehst Du hin?“ „Ich überlege noch. Hast Du Dich schon entschieden?" "Ja, ich möchte den Index für Inklusion näher kennenlernen. Hast Du davon schon gehört?" "Gehört schon, aber kennen wäre zu viel gesagt. Ich nehme doch an, dass das im Impulsreferat zur Sprache kommen wird, denn der Hinz ist doch der, der den Index für Inklusion nach Deutschland geholt hat. Ich möchte mich heute vor allem über die zur Diskussion stehende Verordnung zur Inklusion unterhalten, da stimmt es ja hinten und vorne nicht. Weißt Du, in welchem Workshop die im Mittelpunkt stehen wird?" "Ich glaube, die Verordnung wird in allen Arbeitsgruppen eine Rolle spielen. Denn mit ihr müssen wir uns ja alle befassen."

Vorsitzende Gabi Zimmerer

Nach gefühlten acht erklommenen Etagen war die Aula im Dachgeschoss erreicht, in der die Veranstaltung ihren Ausgangspunkt hatte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren nahezu vollzählig versammelt, als dann – mit der üblichen Verzögerung pünktlich um c.t. – die Veranstaltung mit einem Begrüßungslied der „Comenius-Singers“, dem Chor der Schülerinnen und Schüler der Schule, eröffnet wurde. Konstanze Schneider, die Schulleiterin der Schule, begrüßte die Gäste und skizzierte unter anderem die Bezüge ihrer Schule zum Inklusionsansatz.
Gabi Zimmerer, die Vorsitzende des Landesverbands Hessen der GGG, führte kurz in die Tagungsthematik ein und übergab dann das Mikrofon an die Hauptreferenten, an Ines Boban und Prof. Dr. Andreas Hinz. Dann erlebten sicherlich die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer ein Novum, nämlich den Einstieg in einen Vortrag mit einem Lied, das Ines Boban anstimmte.

Für die elf Workshops bzw. Arbeitsgruppen stand mit knapp drei Stunden viel Zeit zur Verfügung. Diese Tagungskonzeption unterscheidet den Gesamtschultag von üblichen Fachtagungen, was fast einem „Alleinstellungsmerkmal“ entspricht. Wenn dann aber ein Workshop-Angebot einmal ‚schief’ konzipiert sein sollte, dann ist natürlich das Risiko gegeben, dass die drei Stunden als ineffektiv wahrgenommen werden. Hier empfehlen sich qualitätssichernde Maßnahmen der Tagungsgestaltung.

Begrüßungslied der „Comenius-Singers

Aufgrund des Ausschreibungstextes war nicht unbedingt klar ersichtlich, was die Teilnehmenden konkret erwartet und welche Vorkenntnisse in den einzelnen Workshops vorausgesetzt werden. In den meisten Fällen verfügten die Tagungsbesucher hinsichtlich des Tagungsthemas über ein hohes Problembewusstsein und in vielen Fällen bereits auch über einen recht hohen Informationsstand. Allgemeine Einführungen waren insofern kaum gefragt. So war den Gesprächen in den Workshop-Pausen teilweise zu entnehmen, dass in der einen oder anderen Arbeitsgruppe das Publikum von den Moderatoren bzw. Referentinnen zunächst unterschätzt wurde und dass deshalb eine zu allgemeine Einführung in das Thema gewählt wurde. Wie sich später herausgestellt hatte, wurde es in den betreffenden Arbeitsgruppen nach der Pause dann aber doch konkreter und ergiebiger.

Ein Novum des 2012er Gesamtschultages war der Tagungsbeitrag in Höhe von 30 € für GGG-Mitglieder und 45 € für Nichtmitglieder. Zwar waren in diesem Betrag alle Getränke und die (wirklich schmackhaften!) Speisen enthalten, dennoch überraschte die deutliche Preiserhöhung gegenüber dem Vorjahr. Was hatte den GGG-Vorstand zu dieser Entscheidung bewogen? Kostendeckung war offensichtlich nicht der Grund, zumal nur die Hauptreferenten Honorare erhalten haben und sich die Fahrtkosten für die Workshopanbieter in Grenzen hielten.

Was erwarteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Tagung?

Bei den Gesprächen mit den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern fiel auf, dass die meisten nicht zum ersten Mal zum Gesamtschultag gekommen waren und dass für viele der Gesamtschultag eine "feste Institution" darstellt, die es am ersten Märzsamstag aufzusuchen gilt – auch unabhängig vom Thema. Für diese Teilnehmer stellt die Tagung eine Gelegenheit zur Kontaktpflege in verschiedenen Perspektiven dar; auch zukünftige Leitungspersonen einer Gesamtschule wurden und werden auf diese Weise gefunden bzw. gewonnen. Es gab aber auch Personen, die zum ersten Mal an einem Gesamtschultag teilgenommen hatten. Für sie war in erster Linie das Tagungsthema leitend. Dabei war beeindruckend, mit welchem Vorwissen die meisten von ihnen aufwarten konnten. Nachfolgend einige Auszüge aus den Interviews, unterschieden nach Erwartungen im Allgemeinen und im Besonderen, nämlich zum Tagungsthema.

Im Allgemeinen

  • "Der Austausch mit Kollegen ist mir sehr wichtig."
  • "Ich finde es immer sehr bereichernd auf den Gesamtschultagen."
  • "Man bekommt immer viele Beispiele von anderen Schulen; das kann man dann auch in seiner eigenen Schule umsetzen."
  • "Ich finde ich es spannend, heute an einer IGS zu sein, die unsere Grundschüler besuchen. So kann ich etwas Einblick in die Arbeit dieser Schule bekommen."
  • "Ich war 13 Jahre lang Schulleiter einer Gesamtschule, die sich von einer kooperativen zu einer integrierten umgewandelt hat. Jetzt bin ich in Pension und merke, dass ich vom Informationsfluss völlig abgeschnitten bin. Insofern sind solche Tagungen für mich sehr hilfreich."

Im Besonderen, das Tagungsthema betreffend

  • "Meine Erwartungen? Aufklärung, würde ich sagen. Da wir eine integrative Grundschule sind, interessiert mich das Thema Inklusion grundsätzlich."
  • "Ich bin Vater von einer Tochter, die auf eine IGS geht. Ich möchte das Thema etwas näher professionell erklärt bekommen. Für mich ist Inklusion ein wichtiges gesell-schaftliches Modell, das mehr verbreitet werden muss."
  • "Ich bin Lehrer an einer Grundschule und habe mich bisher noch nicht so richtig mit dem Thema beschäftigt. Deshalb wollte ich mich auf dieser Tagung informieren, zumal wir demnächst einen Pädagogischen Tag zum Thema Inklusion haben. Wenn ich es richtig sehe, habe ich es in meiner Klasse schon immer mit Inklusion zu tun, komme aber mit den Unterschieden nicht so richtig klar und bräuchte dazu Hilfe. Die ver-spreche ich mir von dieser Tagung."
  • "Ich möchte die Gedanken der Inklusion besser kennenlernen. Ich komme von einem Familiengesundheitszentrum. Uns geht es u. a. darum, wie wir in unserem Kursangebot inklusiv arbeiten können. Dabei ist auch die Frage wichtig, was Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen Besonderes brauchen. Ich dachte, dass mir die Veranstaltung weitere Impulse für meine Arbeit geben wird."
  • "Ich möchte heute mit Kollegen ins Gespräch kommen zu einem solchen wichtigen Thema."
  • "Ich erwarte Impulse und Ideen, wie wir den gemeinsamen Unterricht so in die Welt tragen können, dass für alle das Thema Inklusion umgesetzt werden kann."
  • "Ich verspreche mir von der Tagung einige Handlungsperspektiven für die Auseinandersetzung mit der neuen Verordnung des Hessischen Kultusministeriums zur Inklusi-on. Diese Verordnung geht nämlich völlig halbherzig mit dem Gedanke, also mit dem Menschenrecht auf Inklusion, um."
  • "Ich wünsche mir Anregungen, wie man die Vorgaben so umsetzen kann, dass sie auch machbar sind und dass das Kollegium dabei nicht auf der Strecke bleibt."
  • "Inklusion ist ein Thema, das die gesamte Gesellschaft anbelangt, und in Schule ganz besonders. Ich erwarte von der Tagung Praxisbeispiele, z. B. von der IGS Nordend. Die ist ja als Gesamtschule schon etwas weiter als andere Schulen, und davon möchte ich profitieren. Unsere Schule steht ja noch am Anfang mit Inklusion. Ich möchte Handlungsfelder kennenlernen, wie Inklusion an unserer Schule umgesetzt werden kann."
  • "Mich würde interessieren, wie andere Kollegien das Konzept der Inklusion umsetzen, gerade auch Gesamtschulen, die schon integratives Unterrichten praktizieren. Insbesondere interessiert mich, was Inklusion vom gemeinsamen Unterricht unterscheidet."
  • "Ich bin Schulleiterin einer Gesamtschule. Wir machen seit sieben Jahren gemeinsamen Unterricht mit Lernhilfeschülern. Inklusive Bildung ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Mich interessiert auf dieser Tagung, welche Entwicklungsmöglichkeiten uns weiter voranbringen können. Ich möchte mich heute mit Menschen darüber aus-tauschen."
  • "Wir haben gute Erfahrungen mit Integration gemacht und sind deshalb motiviert, uns jetzt mit Inklusion zu befassen und weiter zu entwickeln."
  • "Unsere Schule ist in das Thema Inklusion eingestiegen. Wir sind gerade dabei, Konzepte auszuarbeiten. Ich bin zur Tagung gekommen, um nun mehr zu erfahren, wie wir an unserer Schule in die Inklusion einsteigen können."
  • "Wir erwarten uns Anregungen, wie man mit dem Index für Inklusion oder dem Aargauer Index arbeiten kann."
  • "Die neue Fassung des "Hessischen Referenzrahmens Schulqualität" (HRS) enthält eine ganze Menge zur Inklusion, wenn man aber konkreter an dem Thema arbeiten will, dann sind spezifische Referenzrahmen geeigneter. Insofern bin ich an dem Index für Inklusion besonders interessiert."

Was meinen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Vortrag von Ines Boban und Prof. Dr. Andreas Hinz?

Ein wichtiges Anliegen der Referentin und des Referenten war es, die Kernidee des Inklusions-Ansatzes zu verdeutlichen. Ein zentraler Ausgangspunkt des Ansatzes ist die UN-Konvention von 2006 „inclusive education system“. Bei der inklusiven Schule geht es nicht um eine sonderpädagogischen Förderung in der allgemeinen Schule und nicht (nur) um eine Integration von Kindern mit Beeinträchtigungen. Inklusion folgt vielmehr einem allumfassenden integralen Verständnis, bei dem kein Lernender ausgeschlossen wird. Es geht also um einen positiven Umgang mit der Heterogenität der Lernenden in einer Schule für alle Kinder und Jugendliche. Damit ist zugleich die Leitidee der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG) angesprochen. Andreas Hinz: "Inklusion ist eine Verpflichtung für jede Schule." An dieser Stelle sollen wenigstens noch die zentrale Bedingungen zur Einführung des Inklusionskonzepts genannt werden, die Ines Boban und Andreas Hinz zum Abschluss ihres Referats vorgetragen hatten:

  • Inklusion braucht Freiheit von kultusministeriellen Behinderungen;
  • Inklusion setzt die Orientierung an „pädagogisch unteilbare heterogene Lerngruppen“ voraus;
  • Inklusion erfordert Teamstrukturen in den Kollegien;
  • Inklusion benötigt außerschulische Unterstützungssysteme.

Auf die Frage danach, welchen Gewinn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung aus dem Vortrag von Ines Boban und Andreas Hinz gezogen haben, gab es eine ganze Reihe Antworten, die sich vorrangig auf den Anregungscharakter bezogen und etwa folgendermaßen lauteten (Auswahl):

  • "Den Vortrag fand ich sehr lebendig und sehr aussagekräftig, sehr glaubwürdig."
  • "Der Vortrag hat mich sehr hoffnungsvoll gestimmt."
  • "Der Vortrag hat mir sehr zugesagt."
  • "Der Vortrag war sehr spannend und hat mir neue Horizonte aufgezeigt."
  • "Ich stehe bei dem Thema Inklusion noch ganz am Anfang und habe durch den Vortrag viele Ideen bekommen, z. B. durch die kleinen Beispiele."

Darüber hinaus gab es weitere Stellungnahmen:

  • "Ich habe aus dem Vortrag mitgenommen: Inklusion ist mehr als ‚nur’ pädagogischer Förderbedarf. Inklusion ist eine Haltung. Inklusion ist unbedingt notwendig und eine gesellschaftliche Aufgabe, aus der sich das Kultusministerium und der Schulträger nicht zurückziehen dürfen."
  • "Ich habe einen anderen Blick auf das Thema bekommen: Ich nehme mit die Idee der Vielfalt und dass es nicht darum geht, Menschen mit "handicap" zu integrieren. Es geht darum, die Vielfalt und die Unterschiede pädagogisch zu nutzen."
  • "Ich kenne Andreas Hinz und Ines Boban schon seit vielen Jahren persönlich. Für mich ist die entscheidende Frage, wie bringen wir eine anspruchsvolle Idee auf die Füße. Für mich ist es bedeutungsvoll: Man braucht zwar große Ideen. Aber jetzt, nach dem Vortrag, muss ich über konkrete Schritte nachdenken können. Und mich hat über-rascht, dass nach dem Vortrag kaum Nachfragen, Bedenken und Irritationen vorgebracht wurden."

Letzteres war sicherlich das überraschendste Moment in der Plenumsveranstaltung: Wieso gab es nach dem Vortrag nur eine einzige Rückfrage? Hatten etwa schon alle auf die anschließende Mittagspause spekuliert und wollten einen weiteren zeitlichen Verzug vermeiden? War der Vortrag für den Problem- und Kenntnisstand der meisten Teilnehmer vielleicht zu allgemein angelegt gewesen, so dass sich weitere Fragen erübrigt hatten? Hatte man sich die konkretere Auseinandersetzung mit dem Thema für die anschließenden Workshops aufgehoben?

Was haben die Workshops gebracht?

Die elf Workshopangebote umspannten ein breites Spektrum an inklusionsbezogenen Themen und waren allesamt auf praktische Beispiele und Erfahrungen ausgerichtet. Kam diese Kon-zeption bei den Tagungsbesuchern an und welche Resonanz fanden die Workshops? Im Folgenden eine Zusammenstellung der Kommentare, um die die Befragten in der Workshop-Pause und nach den Workshops gebeten wurden.

Eine Reihe der Befragten gab spontan ganz allgemein gehaltene Eindrücke wieder, beispiels-weise:

  • "Was mir der Workshop gebracht hat? Ein Bereicherung im Denken."
  • "Durch die Erfahrungen, die uns im Workshop berichtet wurden, können wir daraus lernen, was wir für unsere Arbeit wirklich brauchen."
  • "Durch den Workshop habe ich erfahren, was anderweitig möglich ist."
  • "Ich glaube, dass die Arbeit in meinem Workshop einiges gebracht hat. Bei mir waren einige Schulleiter, die ganz motiviert aus dem Workshop rausgegangen sind."
  • "Wir haben konkrete Anregungen bekommen, wie wir mit der Situation im Alltag umgehen können."

Neben diesen ganz allgemeinen Stellungnahmen gab es auch eine Reihe konkreterer Beschreibungen über die Arbeit in den Workshops:

  • "Ich war in dem Workshop, in dem der Index für Inklusion behandelt wurde. Prof. Hinz hat uns die Angst genommen, mit dem Index, der ja ein großes Ding ist, zu arbeiten. Man fängt einfach ganz klein an, damit zu arbeiten."
  • "Alle haben wir vor Ort ganz unterschiedliche Bedingungen. Dabei geht es bei allen um das gleiche Problem, nämlich die bestmögliche individuelle Förderung und eine hohe Professionalisierung bei den Kollegen zu erreichen. Hier hat mir der Workshop weitergeholfen."
  • "Ich war bisher in Workshop 4, das hat mir sehr viel gebracht, z. B. die Ausführungen zum Perspektivenwechsel."
  • "Der Workshop hat mir ganz viel für die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen ge-bracht, und zwar wie in die Arbeitsprozesse einzusteigen ist."
  • "Der Workshop war für mich eine Art Handreichung. So habe ich erfahren, dass es mit der Inklusion nur Schritt für Schritt vorangehen kann, dass ein Einstieg ohne großen Druck und ohne zusätzliche Ressourcen möglich ist; das war für mich ganz entlastend."
  • "Der Workshop lieferte eine Methodik, wie man mit dem Index für Inklusion arbeiten kann. Das hatte sich gelohnt."
  • "Im Workshop wurde ein Modell vorgestellt, wie Inklusion praktisch aussehen kann. Ich habe dadurch Argumentationshilfe erhalten, wie wir jetzt bei uns vorankommen können."
  • "Ich habe den Workshop von der IGS Nordend besucht. Das fand ich sehr spannend. Ich war ja schon mal an dieser Schule zur Hospitation und konnte mir dabei einen guten Einblick verschaffen."

Darüber hinaus boten die Workshops auch eine Gelegenheit zu einer kritischen Diskussion, wie die folgenden Aussagen zum Ausdruck bringen:

  • "Ich fand auch die kritische Diskussion über Inklusion in der Gesellschaft und in unserem Schulsystem bereichernd.“
  • „Wir haben teilweise kontrovers diskutiert, dass Inklusion unter den gegenwärtigen Bedingungen gar nicht machbar ist. Gleichzeitig waren wir uns aber doch alle einig, dass Inklusion kommen muss."
  • "Der Gedanke, den förderpädagogischen Sonderbedarf als Definition aufzuheben, ist ja sehr sinnvoll, das ist ja im Index ja auch sehr gut begründet. Eigentlich braucht jeder in der einen oder anderen Richtung Hilfen. Die Trennung zwischen Kindern mit und ohne Förderbedarf ist ja rein künstlich und manchmal auch kontraproduktiv."

Generell ist es keine leichte Aufgabe, in den Workshops Praxisbeispiele vorzustellen, ohne genauer über die Vorkenntnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Bescheid zu wissen. Wie bereits erwähnt, gab es viele Tagungsbesucher, die sich in der Thematik schon recht gut auskennen, was folgender Hinweis anzeigt: "In meinem Workshop waren einige, die bereits einen guten Hintergrund haben." Insofern ist es nicht überraschend, dass manche höhere Ansprüche an die Workshop-Arbeit hatten:

  • "Der Workshop hat mir keine neuen Informationen gebracht. So habe ich eigentlich nur erfahren, was wir schon seit einigen Jahren machen und was allgemein bereits bekannt ist. Ich habe mir mehr versprochen."
  • "Ich hatte mir eigentlich mehr Impulse erwartet, wie man das Thema in die Kollegien bringen kann und wie man Inklusion konkret in der Schule umsetzen kann. So ist mir persönlich noch schwammig, wie dieser Prozess von meiner Rolle aus, also von der Schulaufsicht, unterstützt werden kann."
  • "Der Workshop hat für mich bisher noch nicht das gebracht, was ich mir erhofft habe; es war noch zu allgemein. Ich hoffe, dass es nach der Pause konkreter wird."
  • "Während wir zunächst sehr allgemein über Inklusion gesprochen haben, wurde es nach der Pause ganz konkret. Wir haben mit dem Index gearbeitet und dabei erfahren, wie man es machen kann."

Die geschilderte Problematik unterschiedlicher Erwartungen und Vorkenntnisse wurde auch von Teilnehmerinnen und Teilnehmern gesehen, wie folgendes Zitat zum Ausdruck bringt: „Mir ist natürlich klar: Die Zeit in einem Workshop ist sehr begrenzt, und einer solchen heterogenen Gruppe gerecht zu werden ist schwierig.“ Diesem Problem der unterschiedlichen Voraussetzungen noch besser entsprechen zu können, ist keine einfache veranstaltungsdidaktische Herausforderung.

Worin sehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung die Hauptprobleme bei der Implementierung des Inklusionskonzepts in Hessen?

Zu dieser Frage gab es zahlreiche Kritikpunkte und Anregungen:

  • "Die fehlenden Eckdaten, mit denen man eine konkrete Planung gestalten kann und die einem Orientierung geben, was man dann wie umsetzen kann. Das ist für uns an der Schule das größte Problem derzeit."
  • "Da das HKM das Inklusionskonzept gar nicht richtig will – und dementsprechend zu wenig unterstützt – ist vieles vom guten Willen Einzelner abhängig."
  • "Das Beratungssystem für Schulen, die sich fortbewegen wollen, greift nicht. Das müsste in der Breite viel besser gestaltet werden, damit Schulen, die sich auf den Weg machen, auch externe Hilfe bekommen."
  • "Man braucht auf jeden Fall mehr Ressourcen. Und das ist im HKM offensichtlich noch nicht angekommen oder kann oder soll politisch nicht durchgesetzt werden. Ohne eine Anhebung der Ressourcen geht bestimmt nichts. Da müssen wir uns nur in Skandinavien umschauen."
  • "Nach allem, was ich bisher gehört habe, stellen die Implementationsbedingungen für Inklusion gegenüber den bisherigen Integrationsklassen eine Verschlechterung dar. Vor allem fehlt die Konsequenz, dass man sagt, wir können Inklusion nur machen, wenn da mehr Ressourcen reingesteckt werden. Es geht dabei ja um ein anderes Unterrichten."
  • "Die Ressourcen sind für mich derzeit das Hauptproblem. So wissen wir, dass die Förderzentren nur bedingte Ressourcen haben. Wie wird das adäquat umgesetzt, damit jedes Kind davon profitieren kann."
  • "Die entscheidende Frage ist ja, wie viele Schüler betreut werden. So sind ja die Klassengrenzen für I-Maßnahmen aufgehoben worden. Man nennt das jetzt anders, und dann kann man mit weniger Ressourcen auskommen."
  • "Ich bin Pädagogischer Leiter einer Gesamtschule und habe gerade erfahren, dass man unsere Stundenressourcen um 20 Prozent gekürzt hat."
  • "Was können wir tun, um uns gegenseitig dabei unterstützen? Dazu braucht es nicht nur den guten Willen, sondern auch Mittel. Darüber müssen wir sprechen."
  • "Es fehlt auch die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen an den Regelschulen."
  • "Da besteht ein großes Problem so zu fördern, wie es nötig ist und am einzelnen Schüler dran zu bleiben, ohne das die anderen auf der Strecke bleiben."

In einer Bilanz dieser Kommentare lassen sich mindestens folgende Problempunkte identifizieren:

(1) der fehlende politische Wille,

(2) die unzureichenden Rahmenbedingungen,

(3) eine fehlende inhaltliche Einführung und begleitende Beratung,

(4) unzureichende Ressourcen und

(5) die notwendige gegenseitige Unterstützung in den Kollegien.

Bei dieser Auflistung fällt auf, wie wenig pädagogische Gesichtspunkte angesprochen wurden, die sich auf die Inklusionspraxis bzw. auf die Bewältigung der Leistungsheterogenität beziehen. Dieser Sachverhalt ist möglicherweise bereits Ausdruck für ein Inklusionsdenken unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung. Der Umgang mit Heterogenität wird als pädagogische Selbstverständlichkeit betrachtet und als bewältigbare Herausforderung angesehen. Als ein langjähriger Beobachter von Schulpraxis und Schulentwicklung würde ich mir wünschen, wenn sich die pädagogische Profession insgesamt von einer solchen Auffassung in naher Zukunft leiten ließe.

Ulrich Steffens
Wiesbaden, 15. April 2012