Stellungnahme zum Bericht der Landesregierung
"Einführung eines Bildungsbonus für Schulen in Schleswig-Holstein"

1. Es wird Zeit – es brennt bereits!

2. Die vorgesehenen Maßnahmen sind notwendig, aber nicht hinreichend

Die GGG begrüßt, dass die Landesregierung endlich ein Konzept vorgelegt hat, in dem sie darlegt , wie auch in Schleswig-Holstein Schulen mit besonderen Herausforderungen mit einem „Bildungsbonus“ unterstützt und somit in die Lage versetzt werden können, diesen Herausforderungen gerecht zu werden.

 Zusammenfassende Betrachtung:

Aus unserer Sicht, die sich auf die Sekundarstufe I bezieht, ist die zugrunde gelegte Situationsanalyse zutreffend, aber unvollständig. Systembedingte Ursachen werden nur am Rande erwähnt bzw. bleiben weitgehend unberücksichtigt. Folglich sind die abgeleiteten Maßnahmen unzureichend. Im Zusammenhang mit dem Bildungsbonus Schul- und Unterrichtsentwicklungsprozesse in den Schulen zu befördern, halten wir dagegen für richtig.

Die dargelegten Ziele sind erstrebenswert, perspektivisch jedoch zu bescheiden angesetzt. Im Interesse aller betroffenen Schülerinnen und Schüler kann es unseres Erachtens nicht angehen, dass letztlich der einzelnen Schule eine Entscheidung darüber überlassen wird, ob sie an dem Programm teilnimmt oder nicht. In diesem Zusammenhang halten wir es für nicht angebracht, Schulen, die in ihrem Entwicklungsprozess nach zwei Jahren nicht erfolgreich sind, die Mittel zu streichen. Unverständlich ist für uns, warum nicht schon allein auf Basis der Sozialdaten grundsätzlich eine Unterstützung der Schulen erfolgt.

Vor dem Hintergrund des dargelegten Finanzierungsbedarfs und einer fehlenden Finanzbedarfsanalyse haben wir Zweifel daran, dass die vorgesehenen Mittel ausreichen. Hinzu kommt, dass die Unterstützungsmaßnahmen für die Schulen viel zu langsam anlaufen. Nach dem dargelegten Plan können diese erst im Jahr 2020 mit erheblichen Zuweisungen rechnen. Viele der betroffenen Schulen haben seit Jahren Konzepte im hier vorgestellten Sinne ausgearbeitet, deren vollständige Umsetzung an nicht ausreichenden Ressourcen gescheitert ist. Für diese Schulen wäre eine sofortige Hilfe zum Beispiel in der Bereitstellung von mehr Leitungs- und Systemzeit sowie zusätzlichen personellen Kapazitäten erforderlich und im Zusammenwirken mit der Schulaufsicht auch verantwortlich umsetzbar.

Erfreulich ist, dass eine Evaluation des Gesamtverfahrens vorgesehen ist. Wir erwarten, dass das Konzept als Entwicklungsprozess umgesetzt und fortlaufend auch politisch bewertet und entsprechend nachjustiert wird.

Begründungen:

1. Aus unserer Sicht, die sich auf die Sekundarstufe I bezieht, ist die zugrunde gelegte Situationsanalyse zwar zutreffend, aber unvollständig. Systembedingte Ursachen werden nur am Rande erwähnt bzw. bleiben weitgehend unberücksichtigt.

Richtig dargelegt wird, dass eine ungünstige soziale Zusammensetzung der Schülerschaft zu unterschiedlichen Herausforderungen führt und dass die Ursachen für diese Situation auch in Faktoren liegen, die schulpolitisch nicht beeinflussbar sind. Auf Seite 11 heißt es dazu „Auf administrativer Ebene beeinflussen beispielsweise die freie Schulwahl oder der Wettbewerb der Schulen untereinander die schulische Arbeit.“ Das sind jedoch beeinflussbare Faktoren, die in den Blick genommen werden könnten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Wettbewerb der Schulen untereinander. So ist es nach wie vor noch so, dass Gemeinschaftsschulen im Gegensatz zu den Gymnasien weitgehend die Integration von geflüchteten Schülerinnen und Schülern zu bewältigen haben und allein als inklusive Schulen verstanden werden. Hier wäre schon einmal eine bessere und gerechtere Verteilung der Aufgaben angebracht. Im Wettbewerb um Schülerinnen und Schüler sind Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe schon dadurch benachteiligt, dass sie keine eigene Oberstufe haben. Es fehlt auch eine Gleichberechtigung bei der Versetzung in die Oberstufe. Hier haben Gymnasien und Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe weitergehende Rechte im Vergleich zu den Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe. Außerdem fehlt dort oft eine hinreichende Anzahl von Lehrkräften, die für den gymnasialen Bildungsgang ausgebildet sind. Dies beeinflusst Eltern durchaus in ihrem Wahlverhalten in Bezug auf eine weiterführende Schule für ihr Kind.

Systembedingt ist auch unser segregierendes Schulsystem mit dem Gymnasium als selektiv orientierter Schulform. Der dadurch bedingte Creaming Effekt trägt an einigen Standorten dazu bei, dass die für eine erfolgreiche Arbeit erforderliche Heterogenität in der Zusammensetzung der Schülerschaft nicht erreicht werden kann. Wenn es auf Seite 5 heißt „Der Bildungsbonusprozess unterstützt Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung, die dem Umgang mit heterogenen Schülergruppen dienen.“ muss dem entgegen gehalten werden, dass an den für die Zuweisung eines Bildungsbonus avisierten Schulen eben keine hinreichend heterogene Schülerschaft vorhanden ist. Hier strukturell einzugreifen wäre eine hilfreiche politische Maßnahme.

2. Die abgeleiteten Maßnahmen sind unzureichend.

Schulstrukturelle Maßnahmen werden nicht zu umgehen sein, wenn es darum geht, für alle Schülerinnen und Schüler einen Bildungsstand zu erreichen, der sie befähigt ein Leben lang mit wechselnden beruflichen und gesellschaftlichen Herausforderungen umzugehen. Dies wäre auch ein entscheidender Beitrag, einer schon vorhandenen und sich verstärkenden Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

3. Die dargelegten Ziele sind erstrebenswert, perspektivisch jedoch zu bescheiden angesetzt.

Die Zielsetzung, alle Schülerinnen und Schüler mindestens zu einem Schulabschluss und in einen erfolgreichen Übergang in eine berufliche oder weitere schulische Bildung zu führen, kann nur Minimalanspruch sein. Ebenso muss es Anspruch sein, jede Schülerin und jeden Schüler zu einem möglichst hohen Bildungsabschluss mit entsprechender Qualifikation zu führen. Hinzu kommen sollte die Zielsetzung, die Situation einer jeden betroffenen Einzelschule so zu entwickeln, dass sie als gutes schulpädagogisches Angebot für die Eltern aller Kinder attraktiv ist und tatsächlich zu allen Abschlüssen führt, so wie es im Schulgesetz für die Gemeinschaftsschule vorgegeben ist.

4. Im Interesse aller betroffenen Schülerinnen und Schüler kann es unseres Erachtens nicht angehen, dass letztlich der einzelnen Schule eine Entscheidung darüber überlassen wird, ob sie an dem Programm teilnimmt oder nicht. In diesem Zusammenhang halten wir es für nicht angebracht, Schulen, die in ihrem Entwicklungsprozess nach zwei Jahren nicht erfolgreich sind, die Mittel zu streichen. Unverständlich ist für uns, warum nicht schon allein auf Basis der Sozialdaten grundsätzlich eine Unterstützung der Schulen erfolgt.

In Verantwortung vor allen Schülerinnen und Schülern und der Gesellschaft kann es nicht in die Beliebigkeit einer Schule gestellt werden, ob sie sich ihrer Situation stellt oder nicht. Zumindest muss die Qualitätsüberprüfung alle Schulen mit einbeziehen. Bei Bedarf müssen entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Entsprechend dürfen Schulen, die im Prozess nicht erfolgreich sind, nicht die Mittel gekürzt werden. Aus den Evaluationsdaten sollten geeignete Schlussfolgerungen für die weitere Entwicklung und Unterstützung, ggf. sogar mit einer Steigerung der Mittel, gezogen werden.

In den Ausführungen über die Fachtagung zum Thema Bildungsbonus heißt es, dass neben einer sozialindizierten Ressourcensteuerung, nach der Grundmittel des Bildungshaushaltes verteilt werden (Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen), analog zum vorgesehenen Bildungsbonus in Schleswig-Holstein auch dort Programme für ausgewählte Schulen eine zusätzliche Entwicklungsfunktion haben. Hier stellt sich die Frage, warum Schleswig-Holstein sich diesem Vorgehen nicht angeschlossen hat und zunächst einmal allen berechtigten Schulen hinreichende Mittel zur Verfügung stellt und zusätzlich ein Entwicklungsprogramm etabliert.

5. Vor dem Hintergrund des dargelegten Finanzierungsbedarfs und einer fehlenden Finanzbedarfsanalyse haben wir Zweifel daran, dass die vorgesehenen Mittel ausreichen. Hinzu kommt, dass die Unterstützungsmaßnahmen für die Schulen viel zu langsam anlaufen.

Dieser dargestellte Eindruck muss entstehen, wenn betrachtet wird, wofür die Bildungsbonusmittel alles verwendet werden sollen:

  • für benötigte personelle Kapazitäten, die im Rahmen der Begleitung des Bildungsbonusprozesses und neue Aufgaben durch die Schulaufsicht und auch durch weitere Akteure wie z.B. das IQSH entstehen
  • für die Programmevaluation und Prozessbegleitung der Einzelschulen und Netzwerke
  • für die Ausweitung des Ganztagsangebotes der Schulen

Nicht dargestellt wird, ob auch Bildungsbonusmittel für folgende Aufgaben eingesetzt werden müssen:

  • für die Erstellung eines Sozialatlas durch das IPN
  • für zusätzlich im MBWK erforderliches Personal
  • für die Evaluation des Gesamtprozesses
  • ggf. Mittel für berufsbildende Schulen

Letztlich hängt die tatsächliche Zuweisung von der Zahl der zuweisungsberechtigten Schulen ab, auf die die letztlich noch vorhandenen Mittel schließlich verteilt (nach der Schülerzahl multipliziert mit einem auf die Indexstufe der Schule bezogenen Faktor) werden.

Hier muss von Beginn an in den Blick genommen werden, welchen Bedarf die Schulen aufgrund ihrer Konzeption haben und inwieweit mit der tatsächlichen Zuweisung eine erfolgreiche Umsetzung überhaupt möglich ist. Ggf. muss schnell nachgebessert und das Programm aufgestockt werden.

Wie bereits in der Zusammenfassung dargelegt, können nach dem dargelegten Plan Schulen erst im Jahr 2020 mit erheblichen Zuweisungen rechnen. Viele der betroffenen Schulen haben seit Jahren Konzepte im vorgestellten Sinne ausgearbeitet, deren vollständige Umsetzung an nicht ausreichenden Ressourcen gescheitert ist. Für diese Schulen wäre eine sofortige Hilfe zum Beispiel in der Bereitstellung von mehr Leitungs- und Systemzeit sowie zusätzlichen personellen Kapazitäten erforderlich und im Zusammenwirken mit der Schulaufsicht auch verantwortlich umsetzbar. Ist doch auch offensichtlich (siehe Seite 10), welche besondere Unterstützung Schülerinnen und Schüler aus spezifisch belasteten Familien brauchen, die durch Lehrkräfte kompensiert werden müssen. Was u.a. sofort benötigt wird, sind u.a. Zeit, Personal und kleinere Klassen.

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