Neuer Kurs in der Bildungspolitik

Wenige Wochen nach der Regierungsübernahme von Rot-Grün in Niedersachsen zeichnen sich erste deutliche Konturen einer neuen Bildungspolitik ab. Mit einer Schulgesetznovellierung, die Mitte April in den Landtag eingebracht wurde, will die neue Kultusministerin Frauke Heiligenstadt zwei zentrale Versprechen aus dem Wahlkampf umsetzen:

  1. Für alle Integrierten Gesamtschulen wird die von Schwarzgelb verordnete Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf 8 Jahre zum 01.08.2013 aufgehoben, d. h. für alle Integrierten Gesamtschulen, dass ihre Schüler/innen weiterhin nach 9 Jahren ihre Abiturprüfung ablegen. Die verordnete Schulzeitverkürzung war aufsteigend bis zum 7. Jahrgang angekommen. Da alle Integrierten Gesamtschulen für die Jahrgänge 7 und 8 eine innere Differenzierung beantragt haben, die auch genehmigt wurde, gibt es bis zum 01.08.2013 keinen Änderungsbedarf beim Organisationserlass bis auf die Stundentafel, die wieder 30 Wochenstunden für alle Jahrgänge ausweisen wird. Eine gründliche Überarbeitung unter Beteiligung von Schulleiterinnen und Schulleiter der Gesamtschulen und der GGG soll dann im Schuljahr 2013/14 erfolgen.
  2. Die Verordnung zur Schulentwicklungsplanung wird zum 01.08.2013 so geändert, dass 4-zügige Gesamtschulen wieder genehmigt werden. Bei einer Klassenuntergrenze von 24 sind also 96 Schüler/innen mit einer Prognose für ca. 10 Jahre erforderlich, um eine Integrierte Gesamtschule zu gründen. Das verschafft den Schulträgern an vielen Orten die Luft, Gesamtschulgründungen auch bei sinkenden Schülerzahlen ins Auge zu fassen. In Ausnahmen sollen auch 3-zügige IGS möglich sein, dafür soll es aber klare Grenzen geben. Damit ist auch die von Schwarzgelb 2009 verordnete Fünfzügigkeit endlich vom Tisch. Ein Ende der diskriminierenden Politik gegenüber den Gesamtschulen ist deutlich gesetzt.

Deutlich schwieriger in der Umsetzung ist die Ausstattung der 45 neuen Gesamtschulen mit Lehrerstunden für das gebundene Ganztagskonzept. Diese Ausstattung ist erklärtes Ziel der neuen Kultusministerin, sie lässt sich haushaltstechnisch jedoch erst 2014 in ersten Schritten verwirklichen, da das vorherige Kultusministerium viele Genehmigungen erteilt hat, ohne die nötigen Haushaltsmittel dafür beantragt zu haben. Dadurch gibt es auch keine Spielräume bei der Unterrichtsversorgung. Zum 01.08.2013 werden 1.300 Stellen ausgeschrieben, die eine landesweite Unterrichtsversorgung der Schulen mit durchschnittlich 100 % garantieren sollen. Bis zum 01.08.2014 wird eine Überarbeitung des Ganztagsschulerlasses stattfinden, die auch eine schülerbezogene Lehrerstundenzuweisung für die gebundenen Ganztagsschulen beinhaltet.
Sehr positiv wird von der GGG bewertet, dass die neue Kultusministerin ein eigenständiges Gesamtschulreferat im Kultusministerium einrichten will. Aufgrund der steigenden Zahl von Gesamtschulen in Niedersachsen mit großen Kollegien und sehr hohen Schülerzahlen ist das eine schulfachliche Notwendigkeit. Die GGG fordert deshalb, dass diese Organisationsstruktur auch auf die Abteilungen der Landesschulbehörde übertragen wird.
Mit einer weiteren Maßnahme hat Frauke Heiligenstadt schon im März eine alte Forderung der GGG bezogen auf die Ausbildungsverordnung für Gymnasiallehrer/innen aufgegriffen. Bei ihrer Ausbildung im Referendariat müssen Referendare im gymnasialen Lehramt an den Gesamtschulen nicht mehr ein halbes Jahr ihrer Ausbildung am Gymnasium verbringen. Über 20 Jahre hatte diese Regelung in Niedersachsen Bestand, auch unter der SPD-Regierung bis 2003. Die Gleichstellung von Gesamtschulen und Gymnasien in der Ausbildung von Gymnasiallehrern ist damit erreicht. Die unterschiedliche Behandlung war schulfachlich nie begründet und nur politisch gesetzt.

Gerd Hildebrandt